Als der „Männergesangverein Neuenkirchen 1912“ am Sonntag zu einem opulenten Freundschaftssingen einlud, war es bereits die vierte Veranstaltung im 100. Jahr seines Bestehens. Denn die Jubelfeiern des MGV sollen „wie ein Klangteppich über Neuenkirchen das ganze Jahr“ ausgebreitet werden – so jedenfalls stellt sich der Vorsitzende Alfons Coße dieses Chor-Jubiläum vor. „Das Festival heute soll lautstark und einfühlsam sein“, sagte er in seiner Begrüßung den etwa 350 Sängerinnen und Sängern der zehn eingeladenen Chöre. <Video>

Der gastgebende MGV feierte diesen „Tag des Herrn“ (C. Kreutzer) und überraschte das Publikum in der voll besetzten Aula der Snedwinkela Realschule mit einer vierstimmigen Uraufführung (MV berichtete gestern). Zu dem bekannten Lied „O, wu schön is miin Westfaolen“ (J. Peters) hat der Heimatdichter Herbert Schürmann eine Liebeserklärung an Neuenkirchen gedichtet, die vom Chorleiter Burkhard Langer in einen schwungvollen Chorsatz gesetzt wurde.

Das Freundschaftssingen nach dem MGV-Motto „Aus Freude am Singen“ wurde an diesem langen Nachmittag zum Defilee der zehn Chöre, die in einer gut organisierten Regie jeweils vier Musikbeiträge als Jubiläumsgruß überreichten. Ihr vielfarbiges Spektrum reichte vom Choral bis zum Edel-Schlager, vom Volkslied bis zum Gassenhauer, der Umfang der Chor-Literatur von Johann Sebastian Bach bis Udo Jürgens. Doch wer nennt der Chöre Namen, die gastlich hier zusammenkamen? Der Rezensent muss es tun, muss jeden einzelnen Gast mit seinem musikalischen Jubiläums-Gruß würdigen.

Der erste Chor war der gemischte „Widukindchor Enger“, der auf seiner Konzertreise in Neuenkirchen einen Zwischenstopp einlegte. Der Chorleiter Hans Martin Kiefer erreichte mit Solo-Geige, selbstständigem Piano-Part und Solistin einen wirkungsvollen Effekt, und Jürgens- und ABBA-Titel regten das Publikum zum ersten Mal an diesem Nachmittag zum Mitklatschen an.

Der MGV „Sängerlust“ aus Wettringen bestand nur aus 19 Männern, mit denen der engagierte Chorleiter Rob Zieverink Musikbeiträge von F. Schubert („Die Nacht“) bis A. Lara („Granada“) eingeübt hatte.

Nur wenige Sänger mehr hatte der Freundschaftschor „Coro Peralba“ aus San Stefano, der einen Besuch des MGV Neuenkirchen aus dem Jahre 2004 erwiderte. Unter der sensiblen Leitung von Don Angelo Balcon kam der feinste A-Capella-Gesang ins Publikum, junge Männer aus den Dolomiten begeisterten mit ihrer großen Stimmenweite von den hellen Tenören bis zum tiefen Bass. Ihr Repertoire waren volkstümliche Chorsätze, deren Inhalt von der Dolmetscherin Teresa erzählt wurde. Viel Applaus gab es für den wohl größten Klassiker der Berglieder: „Montanara“ zum Mitsummen.

Da die Abwechselung in einem Chor-Marathon nötig ist, hatte die Regie als nächsten Gratulanten den Frauenchor Wettringen gesetzt. Der Chorleiter Albert Göken hatte seine Sängerinnen und damit das Auditorium in die Welt der Popszene und Edel-Schlager geführt.

Und wieder der wohltuende Kontrast: Nach der locker leichten Art des Frauenchors kam der konzentrierte Vortrag des Mesumer Männerchors unter der Leitung von Alexandros Tihlis. Aus den 40 Kehlen dieses Meisterchors drang ein voller Klang, der raffinierte Effekte aus der präzisen Beachtung dynamischer Zeichen erzielen konnte. Es war ein meisterlicher Vortrag von Frohsinnsliedern (F. Schwarz: „Ich weiß ein Fass“) bis zum klassischen Chorsatz (F. Schubert: „Im Abendrot“).

Der Reigen ging weiter, diesmal zog er aus Holland den gemischten Chor aus Hengelo, der Partnergemeinde von Neuenkirchen, in die Jubelfeier hinein. Ihr A-cappella-Gesang unter der Einstudierung und neuen Leitung durch Rob Möllig, überbrückte von J. S. Bach („Nun ruhen alle Wälder“) bis zur Moderne (H. Arlen: „Somewhere over the rainbow“) 250 Jahre Musikgeschichte.

Aber dann wieder die räumliche Nähe: Nächster Gratulant war der Männerchor aus Ochtrup (Leitung: Thomas Lischik), der mit Liedern aus Opas Plattenschrank aufwartete. Lieder zum Wiedererkennen waren es, zum Wohlfühlen und Mitsingen, und sie waren mit viel Publikumsnähe vorgetragen: Ein singendes Trio ging als „guter Freund“ durch die Reihen und die Caprifischer wurden von Netzflickern und aufgehender (Holzstab-)Sonne szenisch begleitet.

Der folgende Chor war der MGV „Eintracht Schüttorf“, der unter der Leitung von Roxine Engelbath seinen Chornamen vierstimmig präsentierte. Weit gespannte Ohrwürmer von F. Chopin („In mir klingt ein Lied“) bis zur „kleinen Kneipe“ konnten im Saal gefallen.

Gefallen konnte auch der Auftritt des Rheiner Frauenchors unter der Leitung von Bocena Nayda. Neckisch lockere Liedchen kamen dem Anlass des Programms entgegen, besinnlich volksliednah war die schwierig einfache Kunst des Chorgesangs. Ebenfalls aus Rheine kam der letzte Gratulant, der MC „Sängerlust“ unter der Leitung von Henk Jan Bloemendaal. Der Schwung kam noch einmal zum Schluss ins Publikum, hineingeblasen die „Berliner Luft“ und der musikalische Toast „Erhebet das Glas“ aus Verdis „Ernani“, aber auch dieser „bitte mit Sahne“.

Nach fünf Stunden Chormusik konnte sich der MGV Neuenkirchen bedanken, bei jedem Chor mit einer Flaschen hochprozentigem „Nienkiärkser Wind“. Es war ein riesiges Festival, gelungen in der Regie und im Anspruch, gelungen vor allem für ein aufmerksames Publikum. Der Gastchor sagte „Danke, ihr Freunde“. Und das gehörte auch zum guten Ton. Ingmar Winter

Vom Choral bis zum Edel-Schlager

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